Tiergestützte Pädagogik ist keine Schmusepädagogik. Sie beinhaltet vielmehr das Erlernen von Verantwortung und den Erwerb von sozialer und emotionaler Kompetenz. Das Lernen mit Tieren bestärkt häufig eine persönliche und soziale Entwicklung. Erfahrungen von beständiger Bindung und von reicher Emotionalität haben in einer Gesellschaft, die von technologischer Entwicklung geprägt ist, einen besonders hohen menschlichen Stellenwert. Sie befördern die Entwicklung von sozialer und emotionaler Intelligenz. Tiere stimulieren die Sinne beim Menschen durch Geräusche, Gerüche, unterschiedliche Fellbeschaffenheit und authentische Charaktereigenschaften.
Eine der Besonderheiten der Pädagogik mit Tieren ist die Entspannung der Jugendlichen, die beim Zusammensein mit einem nicht wertenden Tier möglich wird. Die Beziehung zum Tier ist deswegen in der Regel weniger von Konflikten belastet. Denn Tiere sind nicht von Standards der Gesellschaft oder von Normen beeinflusst. Sie lassen sich nach einfachen, biologisch relevanten Vorgaben auf ein Zusammensein ein. Dies führt häufig bei den Jugendlichen zu einer Entspanntheit, die mit Angst inkompatibel ist. Tiere bieten ihnen Sicherheit und können Trost und Wärme spenden. "Wir sind so gern in der Natur, weil sie kein Urteil über uns hat", formuliert Schopenhauer. Jugendliche Außenseiter zeigen häufig ein facettenreiches Kommunikationsverhalten mit Tieren. Der oder die Jugendliche verlernt Angst durch Entspanntheit - zunächst nur im Kontakt mit dem Tier. Diese Entspannung kann später Schritt für Schritt auch in anderen Situationen genutzt und kultiviert werden. Denn Tiere geben immer wieder Anlass für Gespräche.
Die Beziehung zwischen Jugendlichen und Tieren wächst nicht von heute auf morgen. Deshalb ist eine Erziehung zum verantwortlichen Umgang mit Tieren unverzichtbar. Jugendliche, die verläßlich und kontinuierlich für ein Tier sorgen, erfahren überwiegend positive Rückmeldungen für ihr Engagement. Dankbarkeit, Anerkennung und Freude werden von Seiten des Tieres und auch von Menschen in der Umgebung vermittelt. So können Jugendliche eine neue, andere Erfahrung ihrer eigenen Tüchtigkeit erleben.
Die Rolle der Betreuerin wird durch das Halten von Tieren erweitert. Sie wird von den Jugendlichen als für das Tier Verantwortliche wahrgenommen, die liebevoll mit dem Tier umgeht, einzelne seiner Schwächen durchaus zuläßt und insgesamt ein gutes und förderliches Umfeld für das Tier gestaltet. Hinter der Betreuerin wird der ganze Mensch wahrgenommen und ihre Beziehung zum Tier wird als mögliches Modell ihrer Beziehung zum oder zur Jugendlichen wahrgenommen.
Im Zusammenleben mit einem Tier können die Jugendlichen aber auch einüben mit Frustrationen umzugehen, beispielsweise zu erleben, dass ein Tier nicht so will wie sie. Tiere sind nicht nur streichelbar sondern auch eigensinnig und unberechenbar. So erfahren die Jugendlichen, dass sie im Umgang mit Tieren Geduld und manchmal Mut brauchen und dass Zorn und Wutausbrüche den Kontakt zum Tier eher behindern als fördern. Das Halten von Tieren gibt Strukturen im Alltag vor. Das bedeutet, dass die Versorgungsarbeiten unabhängig von Lust und Laune getan werden müssen. Die Jugendlichen erleben, dass Ausdauer, Verläßlichkeit, Geduld und Kontinuität die Basis einer Beziehung zu Tieren bilden.

Auf eine einfache und sehr natürliche Art können Jugendliche in der Interaktion mit Tieren erfahren, dass sie über Kompetenzen verfügen und dass diese Kompetenzen aber auch ihre Grenzen haben. So kann das Leben mit Tieren - das sich Kümmern, Füttern, Pflegen und Streicheln - dazu beitragen, ein realistisches Bild von den eigenen Möglichkeiten zu erhalten.
Der Umgang mit Tieren, ihre Versorgung, die freundliche Resonanz auf Zuwendung erlaubt den Jugendlichen ein Entdecken von immateriellen Werten, die in einer hoch technisierten Leistungsgesellschaft häufig zu selten erfahren werden.
Letzte Änderung: 19. January 2017 21:13:52.